In den vergangenen Tagen haben uns zahlreiche Hilferufe von Elternteilen erreicht, deren Kindern der Umgang mit ihnen vorenthalten halten wird. Gemein ist diesen Fällen, dass eine diffuse Angst vor Corona-Infektionen als Grund für das Aussetzen herhalten muss. Eine solche Begründung ist jedoch in der Regel nicht ausreichend. Nachdem von offizieller Seite kaum Informationen dazu verfügbar war, hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) auf einer Webseite sehr schwammig dargestellt, dass Umgang auch weiterhin stattzufinden hat.
Da Umgang ein wichtiges Recht für Kinder und dessen Entfall eine Belastung für Kinder darstellt, muss die Gefährdungslage im Einzelfall betrachtet werden. In jedem Fall sind beide Eltern gefordert, eine den Bedürfnissen ihres Nachwuchses und den tatsächlichen Risiken entsprechende Regelung zu finden. Wenn z.B. der umgangsberechtige Vater im Home Office arbeitet, während die Mutter als Ärztin oder Kassierin hohem Infektionsrisiko ausgesetzt ist, sollte es selbstverständlich sein, ein Kind überwiegend vom Vater betreuen zu lassen. Umgekehrt ist es ein gutes Argument, den Umgang ruhen zu lassen, wenn Kind oder umgangsberechtigter Elternteill chronisch krank sind, über ein geschwächtes Immunsystem verfügen und somit einem erhöhten Erkrankungsrisiko ausgesetzt sind.
Zum derzeitigen Zeitpunkt sind Jugendämter und Gerichte weitgehend im Notbetrieb, dass von dort nur sehr eingeschränkt mit Unterstützung gerechnet werden kann. Liegen keine validen Gründe für das Aussetzen sowie gerichtliche Umgangsbeschlüsse oder gerichtlich gebilligte Elternvereinbarungen vor, sind diese weiterzuführen. Eine bewusste Abweichung kann bei einer gerichtlichen Prüfung als "verbotene Eigenmacht" ausgelegt werden und zu Zahlungsanordnungen von Ordnungsgeldern führen.
Gerade in Krisenzeiten brauchen Kinder sicheren Halt und Unterstützung durch ihre Eltern, auch wenn diese getrennt sind. Umgang mit beiden Elternteilen ist ein grundlegendes Recht, welches mit hoher Priorität einzustufen ist. Deshalb können wir gar nicht oft genug darauf hinweisen:
Kinder sind keine Verfügungsmasse eines Elternteils, sondern brauchen Mama UND Papa!
Von Presse und Politk werden Trennnungselternteile in der Regel als Unterhaltsverweigerer dargestellt, nicht jedoch als notwendiger Bestandteil des Lebens eines Kindes. Poliiker überbieten sich mit teils skurilen Ideen, wie diesen bösen Menschen das Handwerk gelegt werden kann. Im von ARD/Das Erste am 22. März 2020 ausgestrahlten Tatort "Niemals ohne mich" wurde sogar behauptet, dass nur 25% der Väter ihren Zahlungspflichten vollständig nachkommen.
Aber welchen Wahrheitsgehalt haben diese Aussagen? Wie sieht die Situation tatsächlich aus?
Zu der hier bereits erwähnten PETRA-Studie ("Kindeswohl und Umgangsrecht" hat die Abgeordnete Katrin Werner (LINKE) den parlamentarischen Staatssekretärs Stefan Zierke vom federführenden Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 11. März 2020 in einer Fragestunde des Bundestags vom BMFSFJ nach deren Verbleib gefragt. Fragen und Antworten sind im Plenarprotokoll auf Seite 18914 dokumentiert.
Frage 52: Welche konkreten ausstehenden rechtlichen Fragen müssen geklärt werden, um die Veröffentlichung der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“, die durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) beauf-tragt wurde, zu ermöglichen (vergleiche Antwort der Bundesregierung auf meine mündliche Frage 33, Plenarprotokoll 19/139, Seite 17418)?
Antwort: Vor dem Hintergrund des Todes des Studienleiters, Herrn Professor Petermann, geht es insbesondere auch um vertragsrechtliche Fragen
Es stellt sich die Frage nach der Qualität der Beauftragung, wenn im Nachgang vertragsrechtliche Fragen den Auftraggeber an einer Veröffentlichung der bereits um Jahre verzögerten Studie hindern.
Frage 53: Bis zu welchem Zeitpunkt rechnet das BMFSFJ mit einer Klärung der rechtlichen Fragen in Bezug auf die Veröffentli-chung der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ und somit mit einer Veröffentlichung der Studie?
Antwort: Ein Termin für die Fertigstellung und Veröffentlichung der Studie kann seitens des BMFSFJ nicht benannt wer-den. Das hängt in erster Linie damit zusammen, dass in 2019 vorgelegte erste Entwurfsteile aktuell geprüft bzw. weitere Auswertungen seitens der Forschungsgruppe durchgeführt werden müssen. Dabei muss nach dem Tod von Herrn Professor Petermann auch ein Weg gefunden werden, wie die Studie auch ohne seine Expertise zum Abschluss gebracht werden kann.
Erneut wird des Tod des Professors Franz Petermann im August 2019, vier Monate nach der Fertigstellung und Übergabe der Studie an das BMFSFJ, als Begründung genutzt, um sie weiterhin nicht zu veröffentlichen. Die Studie wurde an die Forschungsgruppe PETRA vergeben in Koooperation Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen, dessen Leiter Prof. Petermann war. Es ist nicht nachvollziehbar, dass das Zentrum mit knapp 50 hochqualifizierten Mitarbeitern nicht in der Lage sein soll, den Ausfall organisatorisch zu verkraften. Ebenso spricht es für massive, qualitiative Mängel in der Vertragsgestaltung, wenn eine derart wichtige Studie keine Vertretungsregelungen enthält.
Die Vermutung liegt nahe, dass der Tod des Professor Petermann als willkommener Vorwand missbraucht wird, die trotz der massiven Intervention und den unwissenschaftlichen Eingriffen durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend augenscheinlich politisch nicht erwünschten Ergebnisse auch weiterhin unter Verschluss zu halten. Es ist davon auszugehen, dass eine dem Ministerium genehme Studie schon längst veröffentlich worden wäre.
Am 12.2. hat die ARD/Das Erste den Spielfilm "Weil Du mir gehörst" ausgestrahlt, der wegen seiner realisitischen und sachlichen Darstellung der induzierten Eltern-Kind-Entfremdung von vielen Seiten gelobt wurde. Zum Film hat die ARD auch zu einer Diskussionsrunde eingeladen, bei der die geladenen Gäste die Darstellung und den Handlungsbedarf für Reformen sowohl bei den Gesetzen als auch bei den Professionen bestätigten. Einzig eine Vertreterin des VAMV versuchte mehrmals, den psychischen Missbrauch von Kindern durch Entfremdung zu marginalisieren, was jedoch durch klare Worte der anderen Diskussionsteilnehmer richtig gestellt wurde. Ebenfalls wurde sehr deutlich herausgesarbeitet, dass die Eltern-Kind-Entfremdung unabhängig vom Geschlecht des Entfremders ist. Dass überwiegend Mütter die Täterinnen sind, lässt sich statistisch aus der Ungleichverteilung bei der Betreuung von Kindern ableiten.
efkir hatte im Vorfeld die Gelegenheit, in den Medien Stellung zu nehmen. In der Diskussionssendung ein von uns verfasster Kommentar vorgelesen. Der Radiosender WDR 2 hat landesweit in NRW ein Telefoninterview ausgestrahlt und in der Regionalberichterstattung "Lokalzeit Ruhr" des WDR wurde auch ein kurzer TV-Beitrag über das Problem der Entfremdung und die Arbeit unseres Vereins gesendet.
Aus unserer Sicht hat der Film eindrücklich belegt, dass ein Paradigmenwechsel längst überfällig ist. Es wird Zeit, dass das Thema, welches die meisten Menschen mindestens von Fällen aus dem eigenen Freundes- und Bekanntenkreis kennen, aus den Hinterzimmern in die Öffentlichkeit geholt wird. Wir bedanken uns ausdrücklich bei SWR und ARD, den Mut aufgebracht zu haben, dieses Problem so prominent zu platzieren.
Die veraltete, seit Jahrzehnten geltende, gesetzliche Vorgabe, dass ein Elternteil betreut, während der andere nur für Versorgung und gelegentliche Zoobesuche zuständig ist, legt den Grundstein für psychischen Missbrauch von Kindern in Trennungsfällen.
Gesetz und Gerichte belohnen Elternteile, die destruktiv und unkooperativ zum Nachteil der Kinder handeln. Kinder zu fragen, ob sie Mama oder Papa lieber haben, grenzt an Folter. Überforderte Jugendämter und Beratungsinstitutionen schauen hilflos weg. Anwälte profitieren wirtschaftlich von dem von ihnen selbst induzierten und eskalierten Streit.
Opfer sind immer die Kinder.
Als Reaktion auf die 2015 vom Europarat beschlossene Resolution 2079, welche die Diskriminierung der Vaterrolle bei Trennung und Scheidung benennt und Abhilfe von den Mitgliedstaaten fordert, stellte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) fest, dass internationale Studien, welche die Sinnhaftigkeit der Doppelresidenz längst belegen, auf deutsche Kinder nicht übertragbar sind und beauftragte im November 2015 eine eigenständige Studie "Kindeswohl und Umgangsrecht". Auftragnehmer waren die Universität Bremen, Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation (ZKPR), sowie die Projekt PETRA GmbH & Co. KG aus Schlüchte. Als Studienkoordinator wurde Dr. Stefan Rücker benannt.
Bereits kurz nach Beginn der Studie wurde öffentliche Kritik laut, weil Kriterien, nach denen die zu befragenden Eltern auszuwählen seien, nicht kommuniziert wurden. Im Laufe des Jahres 2016 intervenierte das BMFSFJ unter Führung der damaligen Ministerin Manuela Schwesig (SPD) mehrmals in die laufende Studie und veränderte Kriterien zur Auswahl der zu befragenden Eltern. Diese Änderungen führten dazu, dass bei vielen Trennungsfamilien nicht beide Eltern zu der Studie herangezogen werden konnten. Dies schließt eine wichtige Zielgruppe aus der Studie aus und stellt ihren wissenschaftlichen Wert grundsätzlich in Frage.
Weiterlesen: Familienministerium verzögert Studien-Veröffentlichung
Katrin Bühler, die Autorin des vom Südwestrundfunk produzierten und am 12.2.20 um 20:15 Uhr in ARD/Das Erste auszustrahlende, induzierte Eltern-Kind-Entfremdung und die mangelnde Unterstützung von Professionen thematisierenden Spielfilms "Weil Du mir gehörst" hat vorab Stellung dazu genommen, wieso sie dieses Thema aufgegriffen hat. In unserem Beitrag "TV-Film "Weil Du mir gehörst" thematisiert Entfremdung/PA" haben wir schon vorab über diesen Film informiert.
Frau Bühler nimmt ihre gesellschaftliche Verantwortung als Filmemacherin ernst und sieht eine Chance, bekannte Missstände aus den Hinterzimmern in die Öffentlichkeit zu tragen. Sie bezeichnet - zu Recht - die Eltern-Kind-Entfremdung als psychische Kindesmisshandlung und zeigt auf, dass es die Pflicht von Eltern ist, ihre durch eine Trennung verletzten Gefühle nicht auf die betroffenen Kinder zu übertragen. Ihre Entscheidung, die Mutter als Täter und Vater und Kind als Opfer darzustellen, entstammt der Realität, nach der in Deutschland auch heute noch immer über 90% der Kinder den Müttern zugesprochen werden. Auf eine Darstellung aus der Perspektive des Kindes wurde bewusst verzichtet, da die nach ihren Worten "gut verdienende Scheidungsindustrie" sonst nicht hätte dargestellt werden können.
Großen Respekt verdient die Autorin für ihre Motivation:
Wenn wir es schaffen, dass sich auch nur ein Familienrichter in Zukunft nicht von der (manipulierten) Aussage des Kindes »Ich hasse meine Mutter oder meinen Vater« blenden lässt, sondern genau das hinterfragt, – Wenn wir es schaffen, dass das unmittelbare Umfeld eines zerstrittenen Elternpaares auf ihre Nächsten einwirkt, weil sie durch unseren Film sensibilisiert worden sind – dann hätten wir alles erreicht, was wir mit diesem Film wollten ...
In einer im Dezember 2019 veröffentlichten Studie der Universität Bergen in Norwegen wurde ein Zusammenhang von Trennung der Eltern und Gesundheit von Kindern festgestellt.
Nach einem der Autoren der Studie, Prof. Dr. Eivind Meland, wurden die meisten gesundheitlichen Beschwerden bei Kindern beobachtet, die angaben, den Kontakt zum Vater verloren zu haben oder es als schwierig empfanden, nach der Scheidung mit ihm zu sprechen. Insbesondere Mädchen falle dies schwer.
Über einen Zeitraum von zwei Jahren wurden für die Studie 1225 Jugendliche befragt. Betroffen von Trennung und Scheidung waren zu Begin der Studie 213 Kinder, zu deren Ende 270. Gemäß des Instituts für öffentliche Gesundheit erleben ca. 40 Prozent der Kinder in Norwegen die Trennung ihrer Eltern.
Kinder, die auch nach der Trennung ein gutes Verhältnis zu beiden Elternteilen behalten konnten, wurden beim Selbstwertgefühl und der Gesundheit nicht negativ beeinflusst. In vielen Fällen ging jedoch das Vertrauensverhältnis zum Vater verloren. Meland sagte: "Wenn die Scheidung vor Gericht gebracht wird, wird am häufigsten der Mutter der Status als Hauptbetreuerin zuerkannt". Es wird vermutet, dass dreimal mehr Kinder den Kontakt zu ihrem Vater verlieren als zu ihrer Mutter.
Meland warnte deutlich davor, die Rolle von Vätern bei der Entwicklung ihrer Kinder zu unterschätzen. Nach seiner Aussage zeigt die Forschung deutlich, dass eine enge Beziehung zu beiden Elternteilen wichtig für die Gesundheit der Kinder ist. Meland wies darauf hin, dass sich dieses Ergebnis auf die Familienpolitik auswirken sollte.
Berichte über die Studie wurden von zahlreichen Organisationen und Medien veröffentlich, so auch vom Deutschen Ärzteblatt sowie von der Psychotherapeutenkammer Hessen.