Grußwort der Essener Bürgermeisterin Julia Jacob:
https://www.essen.de/meldungen/pressemeldung_1542446.de.html
Und hier die Festrede von Heike Gerhards vom Verein Eltern bleiben, Bündnis von Vätern und Müttern/VAfK Köln
Liebe Frau Bürgermeisterin
Lieber Vorstand von efkir,
liebe Mitglieder,
liebe Gästinnen und Gäste,
heute ist ein ganz besonderer Tag, denn wir feiern das 25-jährige Bestehen eures Vereins. Ein Vierteljahrhundert voller Engagement, mit größeren und kleineren Erfolgen liegt hinter euch, viel gemeinsame Zeit vor euch und ich finde, das ist ein Anlass, stolz zurückzublicken, die ein oder andere Anekdote auszutauschen, gemeinsam in die Zukunft zu blicken und ein wenig zu feiern.
Ihr Menschen hinter dem Verein efkir (genauso wie wir) leistet Hilfe zur Selbsthilfe.
Und mir ist es eine große Freude und Ehre, heute als Gastrednerin hier zu stehen und über ein Thema zu sprechen, das uns allen – euch wie uns - sehr am Herzen liegt – die Selbsthilfe oder auch Hilfe zur Selbsthilfe.
Anders als vor 25 Jahren suchen heute auch Frauen, Mütter und Großmütter unsere Unterstützung. Das hängt mit den veränderten Lebensmodellen und Lebenswirklichkeiten der heutigen Familien zusammen, in denen sich auch Väter stark in der gemeinsamen Care Arbeit der Kinder engagieren.
Ich habe mal nachgeschaut, was ist eigentlich Selbsthilfe? Auf der Seite der Bayerischen Staatskanzlei habe ich folgende Beschreibung gefunden: Selbsthilfe ist die eigenverantwortliche Hilfe, die sich Menschen gegenseitig gewähren und die häufig aus der eigenen Betroffenheit entsteht und sie ist eine besondere Form des sozialen Handelns.
Was bewirkt jetzt Selbsthilfe? Warum ist Selbsthilfe ein so wichtiger Teil bürgerschaftlichen Engagements? So wichtig, dass es dafür regelmäßige Auszeichnungen gibt. Beispiel Annemie Wittgen, die Vorsitzende der Bundesinitiative Großeltern, hat vor einigen Jahren das Bundesverdienstkreuz für ihre Arbeit bekommen.
Selbsthilfe stärkt wissenschaftlich bewiesen die Resilienz von Menschen. Resilienz ist die Fähigkeit mit Krisen, Misserfolgen, Niederlagen und belastenden Ereignissen umzugehen.
Viele der Menschen, die den Weg zu uns und zu euch finden sind in einer schweren Lebenskrise. Häufig befinden sie sich im Konflikt bzw. Hochkonflikt mit dem ehemaligen Lebenspartner / Lebenspartnerin und haben viele Ängste und Sorgen, z.B. den Kontakt zu ihrem Kind / ihren Kindern zu verlieren, oder die Angst vor der Zukunft, wie schaffe ich das alles alleine, häufig auch finanzielle Sorgen, wenn man plötzlich die Miete ganz alleine finanzieren muss.
Oder Großeltern suchen Unterstützung für ihren Sohn, ihre Tochter, die sich in einer solchen Situation befindet oder die Großeltern selber sehen ihre Enkel nicht mehr. Manchmal sind es auch die neuen Lebenspartner, die Unterstützung für ihre Partner in Not suchen. Gerade habe ich Kontakt zu einer Mutter aus Bayern, die sich um ihren neuen Freund sorgt. Die beiden leben in einer Patchworkfamilie mit insgesamt 3 Kindern.
In den Selbsthilfegruppen können unsere betroffenen Elternteile ihre Erfahrungen mit anderen Betroffenen teilen und ebenso von den Erfahrungen und Erlebnissen anderer lernen. Die gemeinsame Betroffenheit schafft schnell ein Gefühl der Verbundenheit und Solidarität. Häufig bilden sich Freundschaften. Die Menschen stellen fest, dass sie nicht alleine sind mit ihrer als sehr schwierig empfundenen Situation.
Ich kann da auch von mir selber sprechen, für mich war es sehr lehrreich im Austausch mitzubekommen, dass es noch viel schwierigere Situationen gibt als meine Eigene. Das hat mich sowas wie ein Stück geradegerichtet und mich auch Dankbarkeit empfinden lassen mir auch aufgezeigt, wie sensibel diese zwischenmenschlichen Vorgänge gerade in Trennungssituationen sind und wie groß unsere elterliche Verantwortung ist,
Das Thema Familienkonflikt ist ein sehr schwieriges Thema und wir machen häufig die Erfahrung, dass Freunde und Bekannte oder Nachbarn damit nichts zu tun haben wollen. In den Selbsthilfegruppen ist das anders. Da bekommt jeder und jede, die möchte seinen / ihren Redeanteil.
Der Austausch und die gefühlte Verbundenheit hilft den Betroffenen wieder mit mehr Optimismus in die Zukunft zu blicken.
Er hilft bei der Akzeptanz der momentanen Situation. Akzeptanz: Phase im Veränderungsprozess, die auf den Schock und die ablehnende Haltung folgt, die Andersartigkeit der neuen Situation wird angenommen und es entsteht ein Verständnis dafür, dass die Lösung unserer Konflikte i.d.R. Zeit benötigen.
Die Hilfe zur Selbsthilfe unterstützt die Menschen dabei einen Weg raus aus der Problemsicht zu gehen und selber Möglichkeiten zu einer Lösung zu entwickeln, mal eine andere Brille aufzusetzen, besonders die Brille des Kindes. Die Hilfe zur Selbsthilfe rät ihnen gut für sich selber zu sorgen, wieder am Leben teilzunehmen, wieder einen Alltag zu leben, viel rauszugehen in die Natur, sich wieder mehr auf die schönen Momente zu konzentrieren und die gemeinsame Zeit mit ihren Kindern aktiv zu gestalten und zu genießen. Auch wer aktuell keinen Kontakt zu seinen / ihren Kindern hat, kann z.B. Briefe an die Kinder schreiben ohne sie abzuschicken.
Ein wichtiger Aspekt der Selbsthilfe ist auch die fehlende Selbstwirksamkeit unserer Menschen. Viele fühlen sich machtlos in ihrer Situation und komplett fremdgesteuert. Und, das möchte ich auch nicht unerwähnt lassen, einige haben das Vertrauen in den Rechtsstaat verloren.
Die Hilfe zur Selbsthilfe unterstützt die Elternteile dabei ihr Leben wieder in die eigenen Hände zu nehmen, den eigenen Fall nicht den anderen zu überlassen, die Opferrolle zu verlassen und sich auf die eigenen Ressourcen zu besinnen. Ich war im Dezember letzten Jahres bei einem WS für Fachprofessionen in der Schweiz zum Thema „Lösungsorientiertes Arbeiten mit hochstrittigen Eltern“. Grundlage des dort vorgestellten Konzeptes ist die Überzeugung: die Eltern sind die wichtigsten Experten für ihre Kinder. Seit ich diesen Satz in der Selbsthilfe anwende, konnte ich schon mehrfach die große Wirkung und Kraft der Veränderung in der inneren Haltung unserer Elternteile bewundern. Expertin / Experte für das eigene Kind zu sein, bedeutet auch Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen und mögliche Fehler einzugestehen.
Selbsthilfe begleitet auch Übergaben, um z.B. abzusichern, dass diese für Kinder möglichst konfliktarm ablaufen und um Elternteile zu unterstützen, die sich ohne Zeugen nicht mehr zu solchen Übergaben trauen. Vor einer Woche hat mir ein Berliner Kollege erzählt, wie er um 08:00 Uhr morgens mit Buch auf einer Bank auf einem Berliner Spielplatz saß, weil er kurz zuvor einen Anruf eines Vaters bekommen hatte, der bei ihm in der Beratung ist. Dieser Vater hatte sehr kurzfristig den Anruf der Mutter seines Kindes bekommen, er dürfe sein Kind jetzt auf dem Spielplatz betreuen und hat sich nicht getraut, da alleine hinzugehen.
Selbsthilfe ist ein Weg, der Mut und Entschlossenheit erfordert. Es bedeutet, mich zu öffnen, meine Geschichte zu teilen, mich meinen Ängsten und Unsicherheiten zu stellen, meine Wut und Trauer über die Situation zuzulassen.
Ein wichtiger Aspekt der Selbsthilfe ist auch die Unterstützung, die wir anderen bieten können. Indem wir unsere eigenen Erfahrungen und Erkenntnisse teilen, können wir anderen helfen, ihren eigenen Weg zu finden. Wir können ein Netzwerk der Unterstützung und Ermutigung schaffen, das uns alle stärkt und verbindet.
Lieber Vorstand, liebe Vereinsmitglieder von efkir hier schließt sich mein Kreis.
Ich danke Euch allen von Herzen für Euer Engagement und sage
auf die nächsten 25 Jahre!
Vielen Dank!