Im Koalitiionsvertrag von 2017 wurde von CDU/CSU und SPD festgehalten, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Schon damals wurde Kritik an diesem Vorhaben laut. Am 11. Januar 2021 wurde nun ein Entwurf veröffentlicht, auf den sich die Koaltion geeinigt hat:
Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt."
Jeder einzelne Satz ist redundant zu bereits existierenden Rechtsnormen:
- In die Verfassung soll eingefügt werden, dass in der Verfassung definierte Rechte zu achten und zu schützen sind. Dies ist eine Selbsverständlich und bedarf keiner wiederholten Erwähnung.
- Der Begriff des Kindeswohls ist juristisch undefiniert, ebenso, wie weit eine "Berücksichtigung" aussehen soll.
- Der verfassungsrchtliche Anspruch auf rechtliches Gehör ist bereits in Artikel 103 I GG festgelegt und gilt für alle, auch für Kinder.
- Die Erstverantwortung der Eltern (das natürliche Recht zur Pflege und Erziehung ihrer Kinder) ist ibereits in Artikel 6(2) GG definiert
Diese Formulierungen zeigen, dass es nicht um die Rechte oder den Schutz von Kindern geht, sondern um wirkungslose Symbolpolitik, Bei der im englischsprachigen Raum abwertend "virtue signalling" genannte Zurschaustellung überdeutlicher Tugendsignale (kein Politiker wird sich gegen den Schutz von Kindern aussprechen) steht die Förderung der eigenen Reputation im Vordergrund und nicht der Beitrag zum moralischen Diskurs der Gesellschaft. Dies zeigt sich in den jetzt vorgelegten Entwurf, der keinerlei Ausweitung der Rechte von Kindern enthält, sondern die vorhandenden nur wiederholt. Alle Grundrechte, von der freien Entfaltung der Persönlichkeit bis hin zum Recht auf Gesundheit, gelten für alle Menschen, für Erwachsene und natürlich auch für Kinder.
"Wenn es nicht notwendig istt, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen"
(Charles de Secondat, Baron de Montesquieu)
Statt dieser sinnlosen Symbolpolitik wäre die Einhaltung bereits bestehende Normen dringend notwendig. Deutschland weist beim Schutz von Kindern schwere Defizite auf:
- Die UN-Kinderrechtskonvention wurde zwar ratifiziert, wird aber bis heute nicht umgesetzt. Der Artikel 18, der Kindern ein Aufwachsen mit beiden Elternteilen garantiert, hat keinen Eingang in deutsche Gesetze gefunden und wird regelmäßig von Gerichten ignoriert oder verletzt.
- Das 7. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention, welches im 5. Artitkel Eltern auch nach ihrer Ttrennung gleiche Rechte in Bezug auf ihre Kinder garantiert und seit dem 22. November 1984 vorliegt, wurde von Deutschland als einzigem Land ohne Begründung nicht ratfiziert.
- Zur Resolution 2079 des Eurorates vom 2. Oktober 2015, welche die staatliche Diskriminierung von Vätern thematisiert und das Wechselmodell als Leitbild fordert, hat die Bundesregierung bis heute keine Zeit gefunden, sich eine Meinung zu bilden.
- Die am 29. Oktober 2019 vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte definierte staatliche Schutzpflicht, Kinder vor induzierter Entfremdung zu schützen, wird von den beiden federführenden Bundesministerien für Justiz (BMJV) und Familie (BMFSFJ) ignoriert.
Es bleibt die Hoffnung, dass die für eine Grundgesetzänderung erforderliche Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat nicht zustande kommt. Die Koalition verfügt in beiden Organen nicht über eine ausreichende Stimmenzahl und die Parteien der Opposition haben bereits deutliche Kritik formuliert.