Auf doppelresidenz.org werden einige Vorurteile zur Doppelresidenz aufgelistet und entkräftet. Wir haben diese Argumente übernommen und führen sie im Folgenden auf.
In der Diskussion um die Doppelresidenz / das Wechselmodell gibt es häufig Missverständnisse, Unsicherheiten, Befürchtungen oder auch unberechtigte Fehlannahmen. Wir wollen daher versuchen, einige der am häufigsten diskutierten Punkte zu erklären.
Haben Sie noch Fragen? Fällt Ihnen noch etwas ein, was wir hier vergessen haben? Dann teilen Sie uns dies gerne über unser Kontaktformular mit.
Vorurteil: Die Eltern müssen nahe beieinander wohnen
Dies ist in der Regel richtig, denn die Kinder sollen von beiden Wohnorten der Eltern ihr soziales Umfeld wie Kita, Schule oder Freunde erreichen können. Wie weit nah ist, hängt vom Einzelfall ab. Auf dem Land, wo man häufig sowieso weiter fährt kann dies weiter sei als in einer Großstadt.
Vorurteil: Die vielen Wechsel belasten die Kinder
Je länger die Kinder bei jedem Elternteil sind, desto besser können die Kinder „ankommen“, ein Zustand, den Kinder im Residenzmodell häufig kaum erreichen, wenn sie nur für zwei oder drei Tage am Wochenende beim Elternteil sind.
Dazu kommt: häufig finden im Residenzmodell mit erweitertem Umgang MEHR Wechsel statt als im Wechselmodell mit wöchentlichen Wechseln. siehe Warum Doppelresidenz?
Was in dieser Diskussion im Übrigen überhaupt nicht beachtet wird: Kinder wechseln permanent von einem Elternteil in die Schule, in die Kita oder die kleinsten schon zur Tagesmutter, also in Systeme, die ihnen deutlich ferner sind als der eigene Elternteil.
Vorurteil: Die Eltern müssen gut kommunizieren können
Kommunizieren müssen die Eltern in JEDEM Betreuungsmodell. In der Doppelresidenz ist es nicht mehr als im Residenzmodell. Unter Umständen sogar weniger, da beide Eltern im Alltag des Kindes erfahren und involviert sind.
Gibt es Probleme in der Kommunikation zwischen den Eltern, dann ist es lediglich eine Frage der Ausgestaltung, was die Eltern leisten können: ein Umgangsbuch, ein Austausch per Email und Übergaben über Schule und Kita können Eltern und Kinder entlasten. siehe
Kein Grund ist es, nicht kommunizieren zu WOLLEN, denn dies ist jeder Elternteil SEINEM KIND schuldig. In solch einem Fall müsste ansonsten die Erziehungsfähigkeit des verweigernden Elternteils hinterfragt werden.
Mehr Informationen dazu unter - Praxistipp: Anforderung an die Kommunikation und Kooperation
Vorurteil: Streit schadet den Kindern
Das ist grundsätzlich richtig, gilt aber auch für JEDES Betreuungsmodell und auch bei zusammenlebenden Eltern. In der Doppelresidenz sind Kinder allerdings weniger belastet als im Residenzmodell, Kinder sind besser vor dem Verlust eines Elternteils (Eltern-Kind-Entfremdung) geschützt. siehe hierzu unseren Blog-Eintrag.
Damit es den Kindern bessergeht, müssten die Eltern ihren Streit beilegen. Das Alleinerziehenden-Residenzmodell ist allerdings das streitförderndste Betreuungsmodell. In der Doppelresidenz gibt es häufig weniger und vor allem weniger langanhaltende Streitigkeiten.
Die Doppelresidenz ist also im Falle von Streit der Eltern die am wenigsten schädliche Betreuungsform. Den Streit zu beenden ist dann Aufgabe und Verantwortung der Eltern. siehe auch - Praxistipp: Doppelresidenz und Streit der Eltern
Vorurteil: Das Wechselmodell / die Doppelresidenz ist ein Unterhalts-Sparmodell
Kinderzimmer, Kleidung, Essen, Urlaub, Freizeitaktivitäten – all dies kostet und schränkt auch in den beruflichen Möglichkeiten ein. Dies kennen nicht nur Alleinerziehende, sondern auch mitbetreuende Eltern, deren Aufwand bisher aber unterhaltsrechtlich in keiner Weise anerkannt wird. Diese mitbetreuenden Eltern entlasten gleichzeitig auch den anderen Elternteil, ohne hierfür einen finanziellen Ausgleich zu erhalten. Das Problem im Unterhaltsrecht: wer weniger als 50% der Zeit betreut, zahlt doppelt, nämlich für das Leben in BEIDEN Haushalten.
Bei der Doppelresidenz wird ein Elternteil zeitlich und finanziell entlastet, während der andere sich zeitlich und finanziell einschränkt. Sparen tut der sich einschränkende Elternteil also nichts.
Ein tatsächliches Unterhaltssparmodell im (noch geltenden) deutschen Unterhaltsrecht ist, sich überhaupt nicht um sein Kind zu kümmern und dem anderen Elternteil die Betreuungsverantwortung allein zu überlassen – mit allen negativen Auswirkungen für den betreuenden Elternteil und das Kind.
Vorurteil: Dann könnte man ja jede zweite Woche nicht arbeiten gehen? Welcher Arbeitgeber sollte so etwas mitmachen?
Mit dieser Fehlannahme argumentierte selbst unsere Bundesjustizministerin Katarina Barley in ihrem Interview in den Tagesthemen am 13.02.2019. Dies würde im Umkehrschluss bedeuten, dass Alleinerziehende heutzutage überhaupt nicht arbeiten würden, was natürlich nicht stimmt. Kita, Hort und ähnliche Betreuungseinrichtungen stehen in immer größerem Umfang zur Verfügung.
Sicherlich schränkt die Betreuung der Kinder in gewisser Weise auch ein: Dienstreisen, Nachtschichten oder lange Arbeitszeiten sind in der Kinderwoche z.B. nicht oder nur eingeschränkt möglich, lassen sich aber häufig planen. In der kinderfreien Zeit haben dann aber BEIDE Eltern die Möglichkeit, sich beruflich stärker zu engagieren – echte Chancengleichheit für Mütter und Väter im Beruf und für Arbeitgeber ein Signal, dass Mütter und Väter das gleiche Karriererisiko darstellen, also auch von Anfang an gleiche Chancen erhalten können.
Und weitere Vorteile für Eltern und Arbeitgeber: die Mitarbeiter können flexibler werden, wenn ein zweiter Elternteil grundsätzlich als „backup“ zur Verfügung steht, um bei dringenden Terminen mal mit einzuspringen. Je flexibler hier die Eltern sind, desto mehr profitieren sie selbst davon. Es kann ein gegenseitiges Geben-und-nehmen sein. Und für Arbeitgeber ist es dann letztendlich egal, ob sie Mutter oder Vater fördern - beide Eltern stellen das gleiche "Risiko" für den Arbeitgeber dar. Die Doppelresidenz kann ein echter Beitrag zur Chancengleichheit auch im Beruf sein.
Vorurteil: Die Doppelresidenz belastet finanziell vor allem Alleinerziehende Mütter
Alleinerziehend gilt neben Kinder kriegen heute als eines der höchsten Armutsrisiken. Minijob, Teilzeitfalle, geringere Karrierechancen für einen Elternteil, meist die Mütter. Dazu kommt: der Kindesunterhalt ist nur für das Kind gedacht, erwirtschaftet keine Rentenanwartschaften, gleich keine Karriereeinbußen aus. Alleinerziehende werden vor allem dadurch belastet, dass sie ALLEINE die Verantwortung tragen wollen oder müssen. Das Armutsrisiko liegt in der Versorgung und Betreuung der Kinder.
Genau dieses Risiko würde mit der Doppelresidenz auf beide Eltern verteilt werden. Gerade nach einer Trennung wäre es daher für die bisher vielleicht weniger arbeitende Mutter elementar wichtig, so schnell wie möglich wieder eigene Erwerbseinkünfte zu erlangen, um möglicherweise vorhandenen Einbußen in der Erwerbshistorie aufzuholen.
Der beste Schutz vor einseitiger Armut und Karriereeinbußen ist allerdings die gemeinsame Elternschaft von Anfang an und im gesamten Lebensverlauf – auch nach einer Trennung.