Allgemeiner Hinweis zu Rechtsthemen
Gerade zu Beginn eines Trennungskonfliktes werden wir häufig nach konkreten Empfehlungen für einen guten Anwalt gefragt. Vorweggenommen: Eine solche können wir nicht aussprechen.
Wenn Betroffene erstmalig in die Situation geraten, rechtliche Unterstützung zu benötigen, unterliegen häufig populären Irrtümern, die aus dem in Filmen und im Fernsehen transportierten Anwaltsbild resultiert. Auch die Dringlichkeit relativiert sich schnell, wenn erkannt wird, dass bei familienrechtlichen Auseinandersetzungen häufig nicht in Wochen und Monaten, sondern in Jahren gedacht werden muss.
Anwalt ist ein Dienstleistungsberuf wie jeder andere. Wie in jedem Beruf gibt es Menschen, die ihn gut oder schlecht, kompetent oder inkompetent, engagiert oder desinteressiert ausführen. Wunder darf niemand erwarten. Der Anwaltsberuf kann von denjenigen ergriffen werden, die Jura studiert, das zweite juristische Staatsexamen bestanden und eine Anwaltszulassung erhalten haben. Um sich als Fachanwalt für Familienrecht bezeichnen zu dürfen, ist zusätzlich der Nachweis einer Zusatzqualifikation und regelmäßiger Fortbildungen erforderlich. Wie jeder Beruf ist der des Anwalts hauptsächlich darauf ausgerichtet, den eigenen Lebensunterhalt zu sichern. Es gibt sicher auch Menschen, die von Idealismus getrieben werden, jedoch sind diese sehr selten und müssen letztendlich auch von irgendetwas leben.
Was kann man von einem Anwalt erwarten? Sicher nicht mehr, als das, was man bezahlt. Anwaltskosten eines Verfahrens richten sich nach dem sogenannten Streitwert und sind im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) normiert. Nach § 49b Absatz 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) dürfen Anwälte grundsätzlich keine geringeren Gebühren erheben, als sie das RVG vorgibt. Die sich hieraus ergebenden Anwaltskosten stellen immer das Mindestmaß dar. Dies soll vor allem den unlauteren Wettbewerb unter den Anwälten unterbinden. Ein familienrechtliches Verfahren zum Umgangs- und Sorgerecht hat in der Regel einen Streitwert vom 3000 €. Die Mindestvergütung hierfür liegt 2020 bei ca. 740 €. Wenn man nun die bei Anwälten üblichen Stundensätze – in der Regel zwischen 200 und 300 € – betrachtet, kann man sich selbst ausrechnen, welche Arbeitsleistung man dafür erwarten kann. Wendet der Anwalt mehr als drei Stunden auf, verdient er kein Geld mehr daran. Anders verhält es sich, wenn man mit dem Anwalt eine Honorarvereinbarung trifft, die den Regelsatz überschreitet. Dies garantiert dem Anwalt zwar höhere Einnahmen, nicht aber auch dem Betroffenen eine bessere Arbeit. Nicht selten werden Fälle mit der gleichen Pauschalisierung behandelt, wie dies bei den Regelsätzen erfolgen würde.
Desweiteren sind Anwälte Dienstleister. Viele Betroffene haben die falsche Erwartung, dass sie nur ihr Problem benennen müssen und der Anwalt wirft sich sofort in seine Rüstung, um für den Mandanten in den Kampf zu ziehen. Dies funktioniert leider nur in Filmen. In der Regel sind Wartezeiten einzukalkulieren, auch ist es nicht selten erforderlich, den eigenen Anwalt auf das Ablaufen von Fristen hinzuweisen.
Damit ein Dienstleister korrekt arbeitet, muss er möglichst präzise beauftragt und auch während der Ausführung immer wieder kontrolliert werden. Niemand würde einen Fliesenleger beauftragen, ein Bad zu kacheln, ohne konkrete Vorgaben zu machen. Wer ein weißes Bad möchte, spezifiziert dies genau, damit es hinterher nicht nach dem Geschmack des Ausführenden schwarz-lila gefliest wurde. Bei der Mandatierung von Anwälten wird dies von den Betroffenen häufig übersehen und Wunder erwartet. Nicht selten werden Termine versäumt, Informationen des Mandanten ignoriert und vor Gericht plötzlich völlig anderes kundgetan, als vom Auftraggeber gewünscht. Es ist somit nicht zu empfehlen, sich ohne jegliche Kenntnisse des interessierenden Rechtsgebiets sowie des jeweiligen Verfahrensrechts in ein Gespräch mit einem Anwalt zu begeben.
Wie findet man nun einen guten Anwalt? Da jeder Betroffene unterschiedliche Bedürfnisse hat, hilft nur eins: Mehrere Anwälte aussuchen, auf ein telefonisches Vorgespräch drängen und aufmerksam zuhören. Dabei ist darauf zu achten, daß es tatsächlich ein (kostenfreies) Vorgespräch für die mögliche Erteilung eines Mandats, nicht aber ein (kostenpflichtiges) Beratungsgespräch ist. Vor allem sollte man es unterlassen, im Vorgespräch dem Anwalt eigene Unterlagen auszuhändigen oder kopieren zu lassen. Damit begründet man ein kostenpflichtiges Beratungsgespräch; und nicht jeder Anwalt sagt das vorher. Man sollte im Vorgespräch die Fragen klären:
- Ist es für den Anwalt selbstverständlich, vor dem Versenden eines Schriftsatzes diesen vom Mandanten freigeben zu lassen?
- Gibt es einen festen Ablauf, der sicherstellt, dass Schreiben vom Gericht und der Gegenseite an den Anwalt auch zeitnah an den Mandanten weitergeleitet werden?
Gerade für betroffene Elternteile ist wichtig festzustellen,
- ob sich der Anwalt ideologisch positioniert ("Werden Sie mal ruhig, das Kind ist doch gut bei der Mutter aufgehoben"),
- auf Zeit spielt ("Warten Sie erst mal ab") oder
- das Gespräch direkt damit eröffnet, dass er nur auf Honorarbasis arbeitet.
All dies sollte die persönliche Alarmglocke klingeln lassen. Hilfreich können auch Bewertungen auf Online-Portalen sein. Hier sollte man weniger auf die Bewertungen an sich, sondern auf die Antworten der Kanzleien achten. Nicht selten kann man hieraus ein gutes Bild gewinnen. Wichtig ist dabei auch, dass man sich natürlich Bewertungen vergleichbarer Fälle heraussucht. Wenn sich eine Mutter freut, dass der Anwalt ein Wechselmodell verhindern konnte, empfiehlt sich dieser vermutlich eher nicht für einen Hilfe suchenden Vater.
Es kann auch sinnvoll zu sein, einen Anwalt zu mandatieren, der seinen Sitz nicht im direkten Gerichtsbezirk hat. Wenn Anwälte und Richter jeden Tag miteinander zu tun haben, dürfte die Pflege der persönlichen Beziehung in der Regel eine höhere Priorität haben als die Bedürfnisse des Mandaten. Diejenigen, die sich tagsüber vor Gericht gegenüber sitzen, treffen sich nicht selten auf dem Golfplatz oder abends beim Juristenstammtisch.
Im Internet kursieren einige "weiße" Listen, die Anwälte aufführen, mit welchen Betroffene keine negativen Erlebnisse hatten. Ein Beispiel sei der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV). Allen uns bekannten Listen ist gemein, dass insbesondere für Betroffene aus dem Ruhrgebiet keine aktuellen Empfehlungen zu finden sind. Auch uns sind derzeit keine Anwälte bekannt, die wir uneingeschränkt und ohne Bedenken weiterempfehlen können. Sollte jemand sehr positive Erfahrungen gemacht haben, sind wir an Rückmeldungen ausgesprochen interessiert.
Wer in seiner Sache erfolgreich sein will, kommt nicht darum herum, sich in die Materie einzuarbeiten. Dies ist allein schon dafür erforderlich, um einen Anwalt korrekt zu beauftragen und seine Arbeit kontrollieren zu können. Es muss nicht sein, dass Betroffene über ihren Fall gleich ein komplettes Jura-Studium absolvieren (es gibt auch genug Anwälte, die als Betroffene am deutschen Familienrecht verzweifeln), niemand kennt aber die eigenen Interessen besser und besitzt eine uneingeschränktere Loyalität als man selbst.
Hierbei können die Workshops, die efkir gemeinsam mit dem VafK Köln anbietet, einen guten Einstieg bieten.